High Speed 1 (HS1) – früher bekannt als Channel Tunnel Rail Link (CTRL) – ist eine 109 km lange Hochgeschwindigkeitsstrecke, die London mit dem Eurotunnel unter dem Ärmelkanal verbindet. Sie erlaubt Zuggeschwindigkeiten von bis zu 300 Stundenkilometern. Seit ihrer Eröffnung im Jahr 2003 hat High Speed 1 mehr als 200 Millionen Passagiere befördert. Über die grundlegenden Vorteile einer schnellen Verbindung zwischen London und dem europäischen Festland hinaus, ist HS1 ein gelungenes Beispiel für die transformierende Wirkung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs – für Einzelpersonen, Regionen und die britische Wirtschaft insgesamt.  

Über 1.600 Arup-Experten – von Verkehrsberatern und Tunneldesignern bis hin zu Umweltberatern und Brückenbauingenieuren – waren bei der Planung und Umsetzung dieses Leuchtturmprojekts beteiligt: Sie spielten eine Schlüsselrolle bei der Ermittlung der besten Route, der Planung und der Architektur der neuen Bahnhöfe, einschließlich der umfangreichen Umbauarbeiten des Bahnhofs St. Pancras, und der Schaffung von 152 Brücken und anderen Bauwerken entlang der Strecke. Gemeinsam mit unseren Partnern bei Rail Link Engineering (RLE) waren wir für das Projektmanagement, die Genehmigungen, die Beschaffung, den Bau und die Inbetriebnahme verantwortlich.

High Speed 1
Die erste Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnstrecke Großbritanniens bietet unschätzbare Einblicke in die transformativen Vorteile, die die Eisenbahninfrastruktur den Menschen, Gemeinden, Volkswirtschaften und der Umwelt bietet.

Der Hochgeschwindigkeitsverkehr bleibt ein zentrales Element bei der Umstellung des britischen Verkehrswesens auf ein post-fossiles Transportsystem. Für die Strecken London–Paris und London–Brüssel ist der Zug- gegenüber dem Flugverkehr besonders konkurrenzfähig – mit kurzen Fahrzeiten, zentralen Bahnhöfen und geringeren CO₂-Emissionen.

Laut einer Studie, die im Auftrag von HS1 Ltd. durchgeführt wurde, reduziert die Nutzung der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen London und dem Eurotunnel die CO₂-Emissionen des Vereinigten Königreichs um das Äquivalent von 60.000 Kurzstreckenflügen pro Jahr. Damit sparen internationale Bahnreisen auf dieser Strecke jährlich rund 750.000 Tonnen CO₂ ein.

Obwohl der Betrieb der Strecke durch die Pandemie und die Brexit-bedingten Änderungen erschwert wurde, bleibt HS1 ein entscheidender Baustein für die Dekarbonisierung des öffentlichen Verkehrs im Vereinigten Königreich.

Wir sind davon überzeugt, dass HS1 weiterhin ein strategisches Vorzeigeprojekt für die transformative Wirkung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs ist – getragen von einer anfänglichen Vision und einem Weitblick, der sicherstellt, dass die Vorteile möglichst vielen zugutekommen.

Streckenplanung und Analyse

Unsere Reise mit HS1 begann 1989, als wir vorschlugen, den Eurotunnel mit London über einen Bahnhof im östlich gelegenen Stadtteil Stratford zu verbinden. Unser Ansatz war einfach: Wie kann die Strecke so nutzbringend wie möglich gestaltet werden – mit einem Bahnservice, der den Bedürfnissen von Berufspendlern, der lokalen Bevölkerung, dem Gütertransport und internationalen Reisenden gleichermaßen gerecht wird?

Die von uns vorgeschlagene Route verlief nördlich der Themse und gezielt durch Gebiete mit hohem Entwicklungspotenzial wie Stratford und das Gebiet rund um den Bahnhof St. Pancras in King’s Cross. Auch die stillgelegten Kreidebrüche von Kent, boten Raum für neue Nutzungen. Die HS1-Strecke war somit ein wesentlicher Impulsgeber für die wirtschaftliche Entwicklung in Ost-London und Nord-Kent. Die verbesserte Anbindung führte zu einem deutlichen Anstieg von Wohnbauprojekten, Gewerbeansiedlungen und Infrastrukturmaßnahmen in der Region. Im Jahr 1991 entschied sich die britische Regierung für die von uns vorgeschlagene Strecke.

Um die notwendige Unterstützung für eine so bedeutende neue Bahnlinie zu gewinnen, war eine umfassende und intensive Einbindung der lokalen Bevölkerung unerlässlich. Parallel dazu identifizierten wir ungenutzte Flächen in King's Cross, St. Pancras, Stratford, Ebbsfleet und Ashford und verbanden sie mit einer Trassenführung, bei der Gebiete von außergewöhnlicher natürlicher Schönheit gemieden wurden. Es handelte sich um einen kreativen und ausgewogenen Vorschlag, der die Belange der Umwelt, der Erneuerung und der wirtschaftlichen Entwicklung berücksichtigte und gleichzeitig die bestehenden Gemeinden und Wohngebiete kaum beeinträchtigte. Kein einziges Haus musste abgerissen werden, um die Trasse zu bauen.

Professor Sir Peter Hall

Auszug aus The Right Line: The Politics, the Planning and the Against-the-Odds Gamble Behind Britain's First High-Speed Railway von Nicholas Faith

Ein neues Netz, ein neuer Ansatz für die Umsetzung

HS1 sollte die erste Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke im Vereinigten Königreich werden, auf der Fahrzeuge mit bis zu 300 km/h fahren. Nach der Entscheidung für die von uns vorgeschlagene Route gehörten wir zu den Gründungsmitgliedern von London and Continental Railways, dem Unternehmen, das die Konzession für den Bau und Betrieb der Eurotunnel-Eisenbahnverbindung erhielt. In Partnerschaft mit den Anteilseignern von Rail Link Engineering (RLE) haben wir die 109 km lange Hochgeschwindigkeitsstrecke entworfen und das Projektmanagement verantwortet.

HS1 war von Anfang an eine Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor und konnte erhebliche private Investitionen für den Bau des ersten Hochgeschwindigkeitsnetzes in Großbritannien mobilisieren. In Anbetracht der langen Laufzeit des Projekts wurde auch der Erzielung von Vorteilen über den gesamten politischen Zyklus hinweg Priorität eingeräumt, um die Dynamik und Unterstützung des Programms zu sichern.

Minimierung der Auswirkungen auf die Umwelt

Der Bau der 109 Kilometer langen Strecke von London zum Eurotunnel war kein einfaches Unterfangen. Bei der Durchquerung des „Gartens von England“, wie Kent genannt wird, bestand die Hauptpriorität darin, die Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren. Dies wurde durch eine sorgfältige Routenwahl erreicht, indem sie, wo immer möglich, in die Landschaft einbettet oder in eingefassten Trassen verlegt wurde, um die Sichtbarkeit zu verringern. Insgesamt wurden 255 Hektar neue Wälder angelegt und 1,2 Millionen Bäume und Sträucher gepflanzt.

Der Tunnel

Andernorts auf der Strecke mussten Tunnel durch viele verschiedene Arten von geologischen und künstlich geschaffenen Schichten gebohrt werden – unter der Hauptstadt, 40 m unter der Themse und unter den North Downs, einem Höhenzug im Südosten Englands, der zur südenglischen Kreideformation gehört. 

Die Tunnel sind mit einer faserverstärkten Auskleidung versehen, anstelle einer klassischen Bewehrung, um katastrophale Rissbildungen und Abplatzungen im Falle eines Brandes zu verhindern. Das beim Tunnelbau anfallende Aushubmaterial wurde verwendet, um das Geländeniveau in Stratford anzuheben und das Gebiet in ein modernes Stadtquartier umzuwandeln. In ähnlicher Weise wurde der Abraum aus den Tunneln unter der Themse zum Auffüllen der Kreidebrüche entlang der Strecke verwendet, um unbrauchbares Land in Bauland zu verwandeln.

Der Brückenbau

Ein perfektes Zusammenspiel von Form und Funktion: Die Medway Bridge ist eine der längsten Betonbrücken, die für die Anforderungen des Hochgeschwindigkeitsverkehrs gebaut wurden. Sie zeichnet sich durch ein filigranes Profil aus, das sich harmonisch in die Umgebung einfügt. Die V-förmigen Pfeiler sorgen für maximale Effizienz, um den Bremskräften von Hochgeschwindigkeitszügen standzuhalten. Eine innovative, niedrig gehaltene Lärmschutzwand direkt an der Strecke minimiert sowohl die visuelle Wirkung als auch den Lärm.

Der Erfolg von HS1 hält an. Der Betreiber Eurostar strebt bis 2030 jährlich 30 Millionen Fahrgäste an. Im weiteren Sinne hat HS1 der Hauptstadt und dem ganzen Land langfristig erhebliche Vorteile gebracht. Die Strecke war ein entscheidender Bestandteil der Londoner Bewerbung für die Olympischen Spiele 2012 und ein Katalysator für die Erneuerung von Stratford im Osten Londons und Ebbsfleet im Norden von Kent.

Mehr als 400.000 Menschen in Kent befinden sich heute weniger als eine Stunde mit dem Zug von London entfernt – und haben dadurch besseren Zugang zu Arbeitsplätzen und wirtschaftlichen Wohlstand. In den ersten zehn Betriebsjahren entschieden sich über 47.000 junge Familien, Paare und Einzelpersonen, die auf der Suche nach erschwinglichem Wohnraum waren, für einen Umzug in das Einzugsgebiet von HS1.

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