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Berlin weitergedacht bis 2070

Cinthia Buchheister Europe Press Office, Germany,Berlin
29 September 2020

In diesem Jahr wird Groß-Berlin 100 Jahre alt. Der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin e.V. (AIV) nutzt dieses Jubiläum für einen spannenden Rückblick, kritische Fragen und Visionen. Bereits im Juli 2019 hatte der AIV einen Internationalen Städtebaulichen Wettbewerb zur Zukunft der Metropolregion Berlin-Brandenburg in 50 Jahren ausgelobt. Der erste Preis ging an den Beitrag „Zusammenwachsen – Landschaf(f)tStadt“ der Arge Albers, Malcovati, Vogt mit dem Planungs- und Beratungsbüro Arup und wird ab dem 1. Oktober 2020 im Rahmen der Ausstellung „Unvollendete Metropole: 100 Jahre Städtebau für Groß-Berlin“ im Berliner Kronprinzenpalais präsentiert.

Insgesamt 55 Beiträge aus der ganzen Welt fanden ihren Weg in das anonyme Wettbewerbsverfahren. Neben einer Gesamtplanung der regionalen Entwicklungszusammenhänge sollten drei regionale Vertiefungszonen genauer beleuchtet werden. Dabei sollten die Visionen mit fundierten Aussagen zu Stadt- und Freiraum, Städtebau, Nutzung, Verkehr und Bebauung an Besonderheiten und Stärken anknüpfen. Mitte Juli wurden die Gewinner bekannt gegeben.

Strategieplan Berlin-Brandenburg 2070

Ein dritter Bahnring um Berlin

Ein Leitgedanke des Gewinner-Entwurfes der Arge Albers, Malcovati, Vogt mit Arup ist die Schaffung eines dritten Bahnringes um Berlin. Aufgeständert, als Hochbahn konzipiert, stellt der dritte Ring Verbindungen zwischen vorhandenen Wachstumsregionen her und orientiert sich dabei an bestehenden Achsen. Die Grundform des Berliner Siedlungssterns wird entlang der Radialen erweitert. Suburbanisierung und Zersiedlung sollen ebenso vermieden werden, wie eine Stärkung des motorisierten Individualverkehrs.

Als Transit Oriented Development (TOD), also eine Siedlungsentwicklung, die sich am öffentlichen Nahverkehr orientiert, beschreibt man die Vorgehensweise des Gewinnerteams. Existierende urbane Ansätze oder schon ausgeprägte Subzentren können so gestärkt und damit zukunftssicher gemacht werden. Der Gewinner-Beitrag betrachtet das Potential einer schnellen ÖPNV-Verbindung mittelgroßer bis großer Gemeinden wie Wustermark, Werneuchen und Trebbin mit Kleinstädten wie Oranienburg, Bernau und Königs Wusterhausen. Sie alle sind schon jetzt in nur etwa 30-40 Minuten Bahnfahrt vom Berliner Stadtzentrum aus erreichbar, jedoch untereinander teilweise sehr schlecht durch den Nahverkehr erschlossen.

Der neue Bahnring soll Abhilfe schaffen. Städtische Zentren können sich an den Kreuzungen von Ring und Radiale (weiter)entwickeln. Sie profitieren von der neuen direkten Verbindung, unabhängig von Berlin. Hier liegt ein erhebliches Nachverdichtungspotential entlang existierender Achsen. Aus Landschaft wird Stadt – nicht auf der grünen Wiese, sondern dort, wo man bereits auf Vorhandenes aufbauen kann. Zur Schonung der Kulturlandschaft, der landwirtschaftlichen Produktion und der Tierwelt ist der dritte Ring als Hochbahn konzipiert. Durch den Ausbau der Schienen- und Wasserwege gewinnt die Region Berlin-Brandenburg im deutschen und vor allem im europäischen Kontext an Bedeutung und könnte eine entscheidende Rolle Richtung Osten, sogar bis nach China, spielen.

Vertiefungszonen mit Weitblick

Bei der Auswahl der drei regionalen Vertiefungszonen entschied sich das Gewinnerteam für den wichtigen innenstädtischen Verkehrsknotenpunkt Berlin-Südkreuz, für Bernau bei Berlin als Schnittpunkt des neuen Bahnrings mit der Radiale B2/A11 und für die Nationalparkstadt Schwedt an der Oder.

Diese Auswahl fand bei der Wettbewerbs-Jury hohe Anerkennung. Stadtplaner Dr. Harald Bodenschatz, Kurator der Ausstellung des AIV-Wettbewerbs, bewertete den Fokus auf Schwedt und die Überlegung der angepassten Bahnstrecke als „unglaublichen Gedankenpunkt“.

Ganzheitliche und grenzüberschreitende Betrachtungsweise

Der Gewinner-Beitrag „Zusammenwachsen – Landschaf(f)tStadt“ der Arge Albers, Malcovati, Vogt mit Arup betrachtet die Metropolregion ganzheitlich und grenzüberschreitend. Das Konzept für die gesamte Hauptstadtregion fokussiert Siedlungsflächen, Grünraum und Verkehr gleichermaßen, beweist auch im Detail eine intensive Auseinandersetzung mit Möglichkeitsräumen und setzt die Metropole Berlin in einen europäischen Kontext. Für Auslober und Jury war wichtig, auf der aktuellen Situation aufbauend, realistische Absichten für die zukünftige Metropolregion zu kreieren. Die Kernidee des dritten Eisenbahnrings ist vom Planer-Team in etappenweiser Ausführung angedacht und wurde von der Jury als realistisches Szenario eingeschätzt. Welche Bedeutung dieser Wettbewerb haben könnte, zeigt der Umstand, dass derselbe Auslober (AIV) 1908 einen Wettbewerb zur Schaffung von Groß-Berlin initiierte, welcher die Grundlage für den heutigen Raumentwicklungsplan der Hauptstadt darstellt.

Die Jubiläumsausstellung „Unvollendete Metropole: 100 Jahre Städtebau für Groß-Berlin“ zeigt die Gewinner des Internationalen Ideenwettbewerbs im Kronprinzenpalais, Unter den Linden 3, in Berlin-Mitte. Sie beginnt am 1. Oktober 2020 und kann bis zum 03.01.2021 kostenfrei besucht werden. Mehr zur Ausstellung.