Viele der deutschen Brücken werden derzeit nachgerechnet. Dabei zeigen sich vermehrt Traglastdefizite. Im Gegensatz zu kleineren Bauwerken ist bei den großen Rheinbrücken ein Ersatzneubau sehr aufwendig und sollte auch mit Blick auf den Denkmalschutz und die CO2-Bilanz kritisch hinterfragt werden.
Arup ist stets bestrebt, bestehende Bauwerke zu erhalten. Mithilfe von innovativen digitalen Werkzeugen ist es möglich, wichtige Szenarien und Details individuell zu prüfen und nicht nur maßgebende Punkte zu betrachten. So trägt die Digitalisierung dazu bei, Baudenkmäler zu erhalten, die Ökobilanz zu verbessern und Kosten für den Bauherrn zu sparen.
Ein gutes Beispiel ist die Duisburger Friedrich-Ebert-Brücke. Die vierspurige Rheinbrücke verbindet die Stadtteile Ruhrort und Homberg. Sie wurde als Ziegelgurtbrücke mit einer Hauptspannbreite von 285 m im Jahr 1956 errichtet und dann 1999 erstmalig verstärkt. Um die dauerhafte Sicherheit zu gewährleisten, hat die Stadt Duisburg Arup beauftragt, die Tragfähigkeit dieses imposanten Bauwerks zu prüfen.
“Bei diesem Projekt liefern konventionelle statische Untersuchungen nicht ausreichend genaue Daten und würden folglich einen Ersatzneubau favorisieren. Mit dem Einsatz digitaler Tools sind gezielte Analysen und damit wirtschaftliche Verstärkungsmaßnahmen zum Erhalt der Brücke möglich. ” Guillermo Munoz-Cobo Cique Senior Engineer bei Arup
Ein Beispiel: Die Verteilung der Spannungen in den Hauptträger der Friedrich-Ebert-Brücke hängt direkt von dem betrachteten Querschnitt ab, der wiederum von der betrachteten mitwirkenden Breite abhängig ist. Bei seilverspannten Brücken unterscheidet sich die mitwirkende Plattenbreite des Eigengewichtszustands von der unter Verkehrslasten. In der Vergangenheit wurden solche Brücken als Trägerrost abgebildet mit pauschal angenommenen mitwirkenden Plattenbreiten, was jedoch nicht unbedingt dem realen Tragverhalten entspricht. Nur eine detaillierte Modellierung der Fahrbahnplatte mittels Schalenelementen kann realitätsgetreue Ergebnisse liefern.
Wir beschlossen daher, ein sehr detailliertes Analyse-Modell zu entwickeln. Für die Modellierung verwendeten wir sowohl Stäbe als auch 2D-Schalenelemente. Stäbe für die Haupt- und Querträger sowie für die Längsstreifen und 2D-Schalenelemente für die Fahrbahnplatte. Jedes Element wurde mit allen statischen Eigenschaften detailgetreu abgebildet, um die korrekte Steifigkeit an jeder Stelle zu erfassen. Die digitale Automatisierung der insgesamt 46 Querschnitte des Hauptträgers, zum Beispiel, ermöglichte Nachrechnungen mit hoher Qualität. Wir konnten gezielt identifizieren, welche Elemente der Brücke eine Verstärkung benötigen. Auf diese Weise ließ sich der Erhalt der Brücke gewährleisten, was sowohl Materialien als auch graue Energie und Kosten spart.
Das Modell kann im weiteren Verlauf des Projektes für wichtige Planungsaspekte genutzt werden, darunter Bauablaufplanung, Kostenkontrolle und Bestandsdokumentation.